Fluorid in Zahnpasta und Co. – hilfreich oder schädlich für Ihre Zähne?

Liebe Leserinnen und Leser,

Schauen Sie mal auf die Rückseite Ihrer Zahnpastatube. Sehr wahrscheinlich finden Sie dort den Hinweis auf einen interessanten Zusatzstoff: Fluorid. Falls nicht, sollten Sie mal über eine neue Zahnpasta nachdenken, denn entgegen einiger <Mythen> und Behauptungen ist der Wirkstoff nicht schädlich. Im Gegenteil: Fluorid schützt Ihre Zähne effektiv vor Karies. Doch was genau passiert dabei eigentlich im Zahn? Und warum gibt es trotzdem Zahnpasta mit dem speziellen Hinweis «ohne Fluorid»?

Was passiert, wenn Fluorid an unsere Zähne gelangt?

Die äußere Schicht unserer Zähne besteht aus einer Kristallstruktur verschiedener Mineralien, vor allem Hydroxylapatit. Dieser Kristall ist normalerweise sehr stabil. Das ändert sich jedoch, wenn saure Nahrungsmittel oder Bakterien die Zahnoberfläche angreifen. Dann löst sich der Kristall im Wasser des Speichels langsam auf. Fluorid soll das verhindern: Dafür verankert es sich in der Kristallstruktur der Zähne und bildet Fluorapatit. Das ist viel weniger wasserlöslich als Hydroxylapatit. Diesen Vorgang nennen wir Zahnärzte auch ‚Mineralisierung des Zahnschmelzes‘.
Sie können sich das vorstellen, als ob Sie Leder mit Fett-Creme einreiben, damit es wasserfest wird. Fluorid härtet also die Zähne und macht sie beständiger gegen Säure. Gleichzeitig wirkt Fluorid desinfizierend und bekämpft die Bakterien im Mundraum.

Kämpfer gegen Karies

Wir Zahnärzte und Zahnärztinnen wissen schon etwa seit den 1940er Jahren, dass Fluorid gegen Karies schützt. Seitdem wurde der Stoff deshalb auch weitläufig eingesetzt: In Amerika und Deutschland gab es Experimente mit fluoridiertem Trinkwasser, in der Schweiz haben wir seit 1955 mit Fluorid versetztes Kochsalz. Und auch in Ihrer Zahnpasta befinden sich meistens geringe Mengen des Minerals. Und der Erfolg gibt den Entscheidern recht: Seit wir Fluorid einsetzen, haben immer weniger Menschen Kariesprobleme. Beispielsweise gab es in Zürich im Jahr 2000 nur ein Zehntel so viele Patienten mit Karies wie noch in den 60er Jahren! Diese beispiellose Entwicklung beruht vor allem auf dem Fluorid-Einsatz, auch wenn dabei die vorbeugenden Bemühungen der Schulzahnpflege sicher ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Warum gibt es dann überhaupt fluoridfreie Zahnpasta?

Warum man im Supermarkt überhaupt Zahnpasta ohne Fluorid kaufen kann, frage ich mich manchmal selbst. Vermutlich liegt das an einem weit verbreiteten Missverständnis: Häufig wird Fluorid mit dem giftigen Halogen Fluor verwechselt, obwohl das verschiedene Stoffe sind. Zum Beispiel bekommen Sie auch normales Kochsalz (Natriumchlorid), indem Sie zwei schädliche Stoffe mischen: Natronlauge und Salzsäure. Trotzdem ist Salz für uns lebenswichtig. Genauso ist es bei Fluorid. Es ist nicht giftig, wenn Sie nicht gerade ganze Zahnpastatuben am Stück verschlucken, sondern es hilft, unsere Zähne gesund zu halten. Natürlich können Sie Ihren Mund und Ihre Zähne auch mit anderen Substanzen putzen. Die reine mechanische Reinigung ermöglicht auch fluoridfreie Zahnpasta. Das häufig darin enthaltene Wasserstoff-Peroxid ersetzt außerdem die antibakterielle Wirkung des Fluorids. Allerdings gibt es ein Problem: Die oben beschriebene Aufhärtung des Kristalls fehlt ohne Fluorid, sodass die Zähne anfällig für Karies werden.

Kann Ich Fluorid überdosieren, sodass es schädlich wird?

Wie es so schön heißt, macht immer die Dosis das Gift – selbst bei vergleichsweise ungefährlichen Stoffen wie Fluorid. Zum Beispiel verteilten Zahnärzt:innen früher in Kindergärten zur Kariesvorsorge sogenannte ‹Fluoretten›, also Tabletten mit hohen Mengen Fluorid. Das Mineral gelangte dann über die Mägen in die Blutbahn der Kinder. Einige Jahre später fanden sie dann helle Flecken auf ihren Zähnen, wir sprechen von einer Fluoroseschädigung. Das klingt aber schlimmer als es ist: Diese Flecken waren zwar optisch störend, aber nicht gefährlich. Fluorid-gefleckte Zähne sind nämlich trotzdem sehr kariesbeständig. Erst bei massiven Fehldosierungen über längere Zeiträume ist schädigendes Potenzial vorhanden.
Solche hohen Dosen sind für den Zahnschutz gar nicht nötig: Wir wissen heute, dass unbedenkliche Fluorid-Spurenelemente in Zahnpasta, Salz oder Trinkwasser vollkommen ausreichen. Sicherheitshalber gibt es trotzdem für Kinderzahnpasta extra niedrigere Grenzwerte für die Fluorid-Konzentration. Eine Überdosierung ist damit praktisch ausgeschlossen.

Achtung bei Zahnpasta ohne Fluorid: Ein Beispiel aus der Zahnarztpraxis

Ich erinnere mich an einen Patienten, den ich jahrelang betreut habe. Er hatte immer eine stabile Kariessituation und kaum Probleme. Dann fand ich bei einer Vorsorge-Untersuchung plötzlich vier oder fünf Löcher auf einen Schlag. Da fragte ich ihn, was er verändert hatte, weil erwachsene Menschen normalerweise nicht plötzlich ihre gesamte Ernährung umstellen. Er erklärte mir, er sei vor einigen Monaten auf eine fluoridfreie Zahnpasta umgestiegen. Da war der Fall klar! Zum Glück konnten wir die Situation in seinem Mund schnell wieder stabilisieren, aber der Patient hat dadurch sein Kausystem geschädigt – Heute nutzt er wieder normale fluoridierte Zahnpasta.
Ich persönlich verwende für meine Familie und mich immer fluoridierte Zahnpasta und empfehle das auch allen meinen Patient:innen. Das Fluorid in der Zahnpasta schädlich sei, können Sie also getrost ins Reich der Fabeln und Mythen verweisen.

Herzlichst, Ihr

Dr. Falk Wytek